Sergio Leone

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Genesis
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Sergio Leone

Beitrag von Genesis »

Im Bericht über Enzo Barboni im letzten Double-Trouble-Heft wird berichtet, dass dieser sich mit Sergio Leone im Gegensatz zu so manchen Behauptungen sehr gut verstanden hat. Und das würde u.a. den Darstellungen in der Dokumentation auf der Nobody-DVD komplett widersprechen. ich hab schon immer angenommen, dass da sehr übertrieben worden ist, aber es scheint da überhaupt einiges erfunden worden zu sein. Auch wird da Sergio Leono in ein extrem schiefes Licht gerückt, wo u.a. behauptet wird, dass er bei allen Erfolgen seine eigene Rolle größer gemacht hat und bei Misserfolgen waren natürlich alle anderen schuld. Und dass er eben einen Hass auf Enzo Barbani gehabt hat, weil er mit Trinity2 seine Erfolge überboten hat. Und deshalb wollte er angeblich mit Nobody unbedingt einen neuen Rekord aufstellen, um wieder ganz oben zu sein. Und der große Widerspruch in dieser Doko war auch, dass er gleichzeitig versucht haben soll, den Film von Tonino Valeri kaputt zu machen. Und nur wegen eines Filmes heisst es noch lange nicht, dass Barbono Leone als beliebtesten Reggiseur nun automatisch abgelöst hat.

Die größten Erfolge von Leone sind sicherlich die 3 Dollarfilme (welcher davon am besten und welcher am erfolgreichsten und am wenigsten erfolgreich war, weiss ich nicht - mir hat der 2. am besten gefallen), dann wird "Spiel mir das Lied vom Tod" die Nr. 4 sein und die Nr. 5 könnte schon "Nobody 1" sein. Nobody 2/Joe Thanks war zwar deutlich unter dem Vorgänger, gehört aber auch zu den Western-Klassikern. Weiss es jemand genau? (meine statistische Veranlagung schlägt wieder einmal durch :mrgreen: ).
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Maiky
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Re: Segio Leone

Beitrag von Maiky »

Also Statistiken, die sich bloß stur an einfachen Zahlen orientieren und sonst keinen weiteren Kontext oder sozio-kukturelle und zeitgeschichtliche Zusammenhänge in irgendeiner Form mit einbeziehen in das Wort "erfolgreich", gibt es doch nun wirklich genug im Netz. Hier ist eine, die nur Kino-Besuche abbildet zum Beispiel:

http://www.insidekino.com/BO/AllTime/IAllTimeI.htm
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CharlieFirpo
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Re: Sergio Leone

Beitrag von CharlieFirpo »

In Deutschland sieht das aber anders aus. Da stinken die Dollar-Filme ziemlich ab.

Spiel mir das Lied vom Tod - 13.018.414
Mein Name ist Nobody - 6.287.013
Nobody ist der Größte - 3.300.000
Für ein paar Dollar mehr - 2.682.000
Es war einmal in Amerika - 2.319.953
Für eine Handvoll Dollar - 1.649.000
Zwei glorreiche Halunken - 1.146.000
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Maiky
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Re: Sergio Leone

Beitrag von Maiky »

Wenn du die speziell noch für diese Filme wichtigen Märkte wie Frankreich oder Japan recherchierst, wirst du dort sicherlich auch zu völlig anderen und ebenfalls nicht uninteressanten Bilanzen kommen.

Am Ende muss wahrscheinlich jeder für sich selbst entscheiden, wie er die Ergebnisse unter dem Aspekt "erfolgreich" interpretiert. Selbst wenn man alle Besucherzahlen der Länder zusammenaddiert ...

Für mich persönlich bleiben die Zahlen im Endeffekt relativ (!) und machen eine geradlinige Diskussion eher unmöglich. Bestes Beispiel ist der italienische Superhit "Der Vollposten" (ohne "f" hinterm "p") mit Checco Zalone, der in der von mir verlinkten Statistik auf Platz 34 gehighlightet aufgeführt ist: er gilt als der kommerziell erfolgreichste Film in Italien, gemessen am Einspielergebnis in Bezug auf die heutigen Ticketpreise. Rangiert aber, die Besucherzahlen betreffend eher im Mittelfeld der Top Fuffzig. Was wiegt in der Diskussion also mehr? Die Anzahl der verkauften Tickets oder das Einspielergebnis? Das alleine macht die Diskussion schon schwierig für mich. Später kam noch der Videomarkt dazu, der gerade auch diesem Genre nochmal einen ganz neuen Boom verpasst hat. Und Filme, die im Kino "gefloppt" sind oder eher wenig beachtet wurden, plötzlich zum Kult machten. Das kann man auch nicht kleinreden oder im Rückblick unberücksichtigt lassen, wenn man heute über "Erfolg" sprechen will. Ich persönlich komme da für mich zu keinem endgültigen Ergebnis in meiner Interpretation der Dinge! Für mich bleibt es breitgefächert ...

Kleine niedliche Randnotiz aber: auf Platz 53 war ja "Feuerwerk" mit Bud Spencer gelistet. Mir persönlich war nicht bewusst, "nur anhand der eingetragenen Besucherzahlen" in der Datenbank jetzt mal, dass das damit sogar auch einer der erfolgreichsten Filme in Italien war oder ist.
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CharlieFirpo
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Re: Sergio Leone

Beitrag von CharlieFirpo »

Du hast natürlich Recht, die Zahlen sagen schon aus, ob ein Film zum Kinostart ein Erfolg ist oder nicht, aber für Vergleiche zwischen zwei Filmen taugen die Zahlen nur bedingt. So hat "Zwei sind nicht zu bremsen" im Jahr 1978 mehr Zuschauer in die Kinos gelockt als "Krieg der Sterne". Und auch wenn Bremsen im Videomarkt und durch TV-Wiederholungen selbst einen gewissen Kultstatus erlangt hat, dürfte der "Krieg der Sterne" den Startmalus durch die Fortsetzungen, die sehr erfolgreiche WA 1997 und die neuen Trilogien längst wett gemacht haben. Und international muss man diesen Vergleich gar nicht diskutieren. Gleiches gilt für den Vollposten und auch "Fuochi d'artificio". Die waren in Italien seinerzeit sehr populär, aber außerhalb Italiens kennt die fast niemand.

Im Übrigen wird in der Italiens All-Time-Liste "Für eine Handvoll Dollar" noch vor "Vier Fäuste für ein Halleluja" gelistet. Damit wäre Leone hier noch vor Barboni. Warum also sollte Leone den Barboni hassen? Es wäre in meinen Augen übrigens generell Unsinn, wenn ein sehr erfolgreicher Regisseur einen anderen hasst, weil dieser an der Kinokassen noch etwas besser war.
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Genesis
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Re: Sergio Leone

Beitrag von Genesis »

Interessant. So liegt Nobody sogar noch viel besser, vor allem in Deutschland. Die Frage ist auch, warum so eine Doku gedreht wird, wo jemand dermassen schlecht hingestellt wird, wenn nur ein Bruchteil stimmt. Sergio Leone soll ja auch Guiseppe Colizzi über die Schulter schauen lassen haben. Wenn jemand nicht will, dass seine Erfolge übertroffen werden, wird er auch keine Tipps geben (ausser er gibt bewusst falsche, was eher nicht anzunehmen ist). Einzig das es mit dem Regisseur Tonino Valeri Meinungsverschiedenheiten gegeben hat, könnte ansatzweise stimmen, aber wahrscheinlich ist auch da aus einer Mücke ein Elefant gemacht worden.
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Maiky
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Re: Sergio Leone

Beitrag von Maiky »

Insgesamt stimme aber auch ich zu, dass die Dokus echt unseriös sind. Da hilft es auch nichts, dass Terence Hill deutsch spricht. Sergio Leone wird sicherlich traurig gewesen sein, dass "Giù las testa" an den Kinokassen weit hinter den bzw. auch seinen eigenen Erwartungen in diesem Fall zurückgeblieben ist und Enzo Barboni einfach den Wandel der Zeit erkannt und genutzt hat (genau wie Leone es ja letztlich einige Jahre zuvor auch getan hat mit seinen eigenen Filmen). Aber daraus solche "Dokus" zu basteln ist schon [...] ---

Als Fan von Leones Arbeiten würde ich aber trotzdem auch gerne großzügig einräumen, dass sich der Maestro in einem nicht unerheblichen Grad, neue Zuschauerrekorde zu erzielen (wenn er es denn wirklich explizit wollte (?)), natürlich auch selber im Wege stand. Seine Filme waren ab dem dritten Clint Eastwood Film einfach nur noch episch lang. Und konnten folglich auch nur ein-, maximal zweimal am Abend im Kino abgekurbelt werden. Im Gegensatz zu 90 oder 100 Minuten Komödien, die natürlich deutlich öfter laufen konnten und somit auch schnell mal doppelt soviel Tickets generieren am Abend. Auch kann ein Western, noch dazu ein Nostalgie- und Melancholie-geprägter Italo-Western, natürlich auch nicht dieselbe große, mögliche erreichbare Zielgruppe haben wie eine Parodie oder meinetwegen auch andere überlange Epen der Filmgeschichte. Und irgendwann ist dann die Hoch-Zeit von bislang mega erfolgreichen Filmschaffenden auch sowieso wieder vorbei und neue Talente sorgen für Ablösung. Keine Ahnung, was die Macher des Bonus-Material bezwecken wollten. Vielleicht bloß, dass ich mich aufrege und wir dadurch ins Gespräch kommen ;)
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Chickadee
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Re: Sergio Leone

Beitrag von Chickadee »

Es ist doch schön, wenn ein Double-Trouble-Artikel zu so einer netten Diskussion anregt. Wir hatten bei dem Artikel ja Hilfe von Enzos Enkelin Ginevra, die bestätigte, dass Enzo und Leone privat befreundet waren. Aber auch Enzos Sohn Marco Tullio hat sich zu diesem Thema in einem Interview anlässlich des 50. Trinity-Jubiläums geäußert.

Dort stellte Interviewer Cristiano Sanna die Frage:
Hatte also Sam Peckinpah, der Regisseur von The Wild Bunch, recht, als er über die Filme von Sergio Leone sagte: "Ich mag sie, aber sie haben wenig mit dem Realismus und der Härte des Westens zu tun"?
Marco Tullio Barboni antwortete dazu:
"Ja. Allerdings war Sergio Leone, der mit meinem Vater befreundet war, ein echter Meister und niemand bezweifelt den Wert seiner Filme. Aber Peckinpah sagt die Wahrheit. Der Spaghetti-Western war etwas anderes. Ich nutze diese Gelegenheit, um hier einen historischen Schwindel zu widerlegen: Als die Filme meines Vaters erfolgreich wurden, begannen bestimmte Medien, eine angebliche Rivalität zwischen den beiden aufzubauschen. Ich sage es ganz klar: Diese Rivalität hat nie existiert".
Das komplette Interview findet ihr hier (Ital.):
:arrow: https://spettacoli.tiscali.it/cinema/ar ... sta-bugie/
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Genesis
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Re: Sergio Leone

Beitrag von Genesis »

Ahja, Sam Peckinpah - ein weiteres Stichwort :mrgreen: . Die Aktion mit dem Grabstein im Nobody-Film, weil dieser da angeblich nicht mitmachen wollte, war tatsächlich unseriös und unangebracht. Der Film war europaweit ein großer Erfolg und es gab daher eigentlich keinen Grund zur Enttäuschung. Beim Nachfolger Joe Thanks natürlich insodern schon, da das Budget deutlich höher war als bei den Barboni-Filmen. Und der Kriminalfall mit dem verschwundenen Negativ wird wohl ein ewiges Rätsel bleiben. Was da die Hintergründe waren, wäre schon interessant.

Bei den ersten beiden Dollar-Filmen hat´s übrigens auch Neusynchros gegeben, um das ganze lustiger zu machen. Ich kann da nicht sagen, welche Version mir besser gefällt. Aber zu meinen Favoriten gehören diese Filme ohnehin nicht.
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Maiky
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Re: Sergio Leone

Beitrag von Maiky »

Ich persönlich denke, dass man das Bildnis mit dem Grabstein durchaus noch "größer" metaphosieren kann, als es in Film dargestellt ist und dabei gleichermaßen stark verallgemeinern. Zum einen würde ich es als eine Selbstreflexion von Leone sehen (wollen) --- dass er dieses am Beispiel Peckinpah tut ist meines Erachtens dabei nur logisch und konsequent, wenn man derer beiden Oeuvres inhaltlich detaillierter betrachtet --- und dass er damit in gewisser Hinsicht auch "sich selber (!)" als Western-Regisseur beerdigt. Sam, als Hommage, sowieso, sagte bereits indirekt ... Aber insgesamt auch den Western als Genre im Ganzen. Denn abgesehen von noch gelegentlichen Ausreißern wie "The Outlaw Josey Wales", "The Shootist" und dergleichen, war selbst für die US-Superstars nichts mehr mit einem amerikanischen Western zu holen im Kino. Insofern würde ich sagen, er hat als Hommage an den Western folgerichtig insgesamt gleich das ganze Genre begraben. Nicht nur Sam und/oder sich selber. Der große Western war einfach tot ...

Aber das ist wie gesagt alles nur meine eigene, kleine Interpretation der Szene. (Als ebenfalls extrem romantisch veranlagtem Peckinpah/Leone-Fan, solche Dinge betreffend ...)
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